Wer das alte Dresden kennen lernen möchte, sollte nach Prag fahren
Vor rund zwei Jahren besuchte ich im Herbst die Stadt Prag. Das letzte Mal war ich vor knapp 20 Jahren in dieser Stadt gewesen und konnte mich nur an alte und unsanierte Häuser erinnern. Desto mehr wunderte ich mich über die Innenstadt, welche mit viel Liebe wieder hergerichtet wurde. Schmale Gassen, durch die man Bummeln, und jede Menge kleine Plätze, an denen man sich ausruhen kann, schmücken Teile der Innenstadt. Einen Tag in Prag zu verbringen ist für mich jedes Mal ein Highlight. Zumal ich seit kurzem weiß, so wie die Innenstadt von Prag heute aussieht, so sah es auch einmal in Dresden früher aus.
Dresden wie es einmal war
Die meisten Dresdner sind von ihrer Frauenkirche begeistert. Doch ab und zu trifft man auch noch einen Dresdner, der mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche nicht hundertprozentig einverstanden ist. Von diesen hört man dann immer, die Frauenkirche sollte als Mahnmal für die Zerstörung der Stadt Dresden dienen. Dabei ist die gesamte Stadt in ihrer heutigen Form ein Mahnmal. Doch dies wurde mir erst bewusst als ich Filme aus dem alten Dresden sah. Viele Straßen und Plätze, die in den Filmen gezeigt werden, erkennt man heute nicht mehr. Und erst durch die Filmaufnahmen „Dresden einst und Jetzt – Unterwegs mit der Straßenbahn“ die einen direkten Vergleich der Stadt der Zwanziger des letzten Jahrhunderts und Aufnahmen des neuen Jahrtausends gegenüber stellen, erkennt man, welche Zerstörung in Dresden angerichtet wurde.
Das Stadtbild der kompletten Innenstadt wurde damals dem Erdboden gleich gemacht und in den Jahren nach der Zerstörung durch den Wiederaufbau endgültig zerstört. Die alte Bausubstanz findet man heute nur noch rund um den Innenstadtkern, wie die äußere Dresdner Neustadt oder der Stadtteil Pieschen Süd, der in der Zwischenzeit auch nahezu komplett restauriert wurde. Aus den alten Aufnahmen erkennt man, diese Stadtteile konnten ihre alte Struktur erhalten. Die ehemalige Innenstadt von Dresden, wird dagegen wahrscheinlich nie wieder den alten Glanz erlangen. Daran wird auch der Aufbau des historischen Neumarkts nichts ändern können. Das Bild der Stadt Dresden wird immer von der Zerstörung von 1945 geprägt sein.
Prag erleben und sich an dem Schönen erfreuen
Sieht man mit diesem Wissen nach Prag, erahnt man, wie die Stadt sich heute weiter entwickelt hätte. In Prag gibt es genügend restaurierte Gebäude, kunstvoll verzierte Fassaden, schmuckvolle Hauseingangstüren und kleine Statuen, die Häuserecken bewohnen. Trotzdem erhält man nicht den Eindruck Prag versuche sich der Moderne zu verschließen. Zwischen diesen alten Gebäuden aus der Vergangenheit, findet man immer wieder Bauten der Moderne, die sich liebevoll zwischen den alten Häusern einfügen. Die Stadt entwickelt und verändert sich ohne Unterlass.
Benötigt Dresden deswegen ein Mahnmal, welches an die Zerstörung erinnert? Ich denke von Ruinen hat Dresden in den letzten Jahrzehnten genügend gesehen. Eine Ruine ist kein Mahnmal, wenn eine Stadt für sich als Mahnmal herhalten könnte. Hierfür würde es ausreichen an den entsprechenden Stellen der Stadt, geschichtliche Infotafeln aufzustellen, die das Dresden von 1920, 1970 und 2000 zeigen. Ein besseres Mahnmal und ein besseres Erinnern an die zerstörerische Vergangenheit, kann man dieser Stadt nicht geben.
Wer kann schon in die Zukunft sehen? Vor 10 Jahren haben mich auch noch andere Dinge interessiert, als heute. Ob wir in Dresden in 20 Jahren weniger Touristen haben, die sich die Stadt ansehen möchten, auch dies steht in den Sternen. Für den Tourismus hat der Aufbau des Neumarkts auf jeden Fall etwas gebracht. Wie das „Disneyland für Senioren“ (wie jemand mal so treffend bemerkte) heute vermarktet wird, steht dabei auf einem anderen Blatt geschrieben.
Dass die Stadt vor allem einen Reiz für das ältere Publikum ausstrahlt, haben zum Glück auch schon andere Menschen erkannt. Und als ich vor kurzem wieder in den westlichen Gefilden von Deutschland war, hörte ich mehrfach, sobald der Begriff „Dresden“ fiel: „Was für eine schöne Stadt, da will ich unbedingt mal hinziehen. Aber erst wenn ich in Rente bin.“ Das gab mir natürlich schon zu denken. Wird sich Dresden vielleicht zum Florida von Deutschland entwickeln?
…ganz abgesehen davon, dass ich diese Rückwärtsgewandheit im Zentrum sowieso für schauderhaft halte (was nützt mir denn die historische Fassade, wenn dahinter ein modernes Gebäude ist?).
Aber ernsthaft – reicht eine Tafel aus, um zu zeigen, dass abgesehen vom Neumarkt eigentlich nichts mehr vom ursprünglichen Grundriss der Innenstadt erhalten ist? Und warum das so ist? Ich bin auch ein Gegner der wiederaufgebauten Frauenkirche – nicht nur, weil ich persönlich Barock für hässlich erachte, sondern auch, weil so der Eindruck entstehen kann, 1945 hätte es nie gegeben.
Na klar, da sind die schwarzen Steine und all die tollen Informationen – aber die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin fügt sich eben nicht so gefällig in die Stadtkulisse ein, sondern zwingt geradezu, sich mit dem Hintergrund für die Zerstörung auseinander zu setzen.
Und das Beste: Um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche konnte sogar ein modernes Stadtzentrum entstehen, dass Urbanität und Dynamik ausstrahlt. Und so sehr ich Dresden auch mag und um die ganze Forschungslandschaft weiß – wenn Dresden etwas nicht transportiert, dann Urbanität und Dynamik. Leider muss man sagen: Der Hauptgrund ist eben dieser Fremdkörper Innenstadt mit seinen gefälligen, aber letztendlich toten Gebäuden, da ja keine Wohnquartiere mehr vorhanden sind, die das Ensemble beleben.
Dresden hat ein enormes Potenzial – aber so lange es mit August dem Starken (den außerhalb von Sachsen sowieso nur Freaks wie ich kennen) und Gunther Emmerlich in der Semperoper verschleudert wird, bleibt Dresden eben eine Stadt, die nur für die Generation 60+ interessant ist. Nur wird man irgendwann feststellen, dass die heute 40- bis 50-jährigen andere Interessen haben und nicht darauf warten, endlich im Bus nach Dresden gekarrt zu werden, um diese Generation zu ersetzen. Und da hilft dann auch nicht das 100. Hotel und die 101. Ladenpassage mit den ewig gleichen Ketten (wie du ja schon einmal bemerkt hast), um das Ruder noch umzureißen, da hilft nur ein neues Tourismuskonzept…
Alex vom Debattieren