Machiya – Japans verschwindende Stadthäuser

Japanreisen lassen sich vielseitig gestalten und du kannst selbst an bereits bekannten Orten immer wieder etwas Neues entdecken. Wo du übernachtest, steht dir ebenfalls frei – sei es in einem gemütlichen Airbnb, mal eben im Kapselhotel oder in traditionellen Ryokan. Doch eine besondere Art der Unterkunft gerät langsam in Vergessenheit: die Machiya. Worum es sich dabei genau handelt und weshalb du sie bei deinem nächsten Besuch im Land der aufgehenden Sonne ausprobieren solltest, erfährst du hier!

Machiya – Gebäude längst vergangener Zeiten

Bezeichnen wir Tokyo mit seinen wuselnden Menschenmassen, blinkenden Bildschirmen und wichtigen politischen sowie wirtschaftlichen Gebäuden als Herz Japans, was ist dann Kyoto? Die “Seele des Landes” trifft den Nagel ziemlich auf den Kopf. Denn vor Ort zeichnen tausende Tempel und Schreine, idyllische Gärten und traditionelle Architektur ein Bild der hier heimischen, kulturellen Essenz. Doch so sehr wir diese auch genießen, sind manche ihrer Aspekte bedroht, darunter die Machiya.

Ein altes Gebäude aus Holz, davor Büsche mit weißen und blauen Blüten

Machiya zeichnen sich unter anderem durch ihre hölzernen Elemente aus

Dabei handelt es sich um alte Stadthäuser. Diese liegen meist etwas versteckter in Seitengassen, tragen aber unabdingbar zur Atmosphäre Kyotos bei. Gebaut wurden sie aus Holz und Lehm. Sie zeichnen sich durch ihre schmale, eher längliche Form aus. Deshalb nennen die Einheimischen sie auch “Unagi no Nedoko” (dts. Aal-Nest). Für diese Bauweise gibt es zwei Gründe:

  1. Warst du bereits einmal in einer japanischen Stadt, weißt du, wie begrenzt der Wohnraum ist. Auf diese Weise sollte also Platz gespart werden.
  2. Während der Edo-Zeit wurden Gebäude nach ihrer Frontbreite besteuert. Je kleiner diese war, desto günstiger.

Weitere markante Merkmale dieser traditionellen japanischen Häuser sind:

  • der vordere Teil des Hauses dient oftmals als Geschäftsraum, die privaten Zimmer liegen dahinter
  • ein offener Innenhof als Ventilations- und Lichtquelle sowie Ruhezone inmitten der dichtbebauten Metropolen
  • Skylight, ebenfalls für mehr Helligkeit und Temperaturregulierung
  • hölzerne Gitter vor den Fenstern (koshi), die man ursprünglich während der militärischen Konflikte im 14. Jhd. installierte
  • Tatami-Matten und Shoji-Schiebetüren für eine behagliche und warme Atmosphäre

Der Unterschied zwischen Machiya und Ryokan

Schaut man sich die Eigenheiten eines solchen Stadthauses an, lassen sich viele Parallelen zu Ryokan entdecken. Denn auch diese bestehen aus traditionellen Elementen wie Strohmatten. Worin unterscheiden sich die beiden also?

Ganz einfach. Ein Ryokan ist eine Pension, während es sich bei Machiya um ein Wohngebäude handelt. Allerdings kannst du als Tourist:in auch in einigen dieser übernachten. Sie zu finden, wird jedoch etwas schwieriger. Die meisten gibt es heute immer noch in Kyoto, aber in traditionell erhaltenen Städten wie Kanazawa oder Takayama kannst du sie ebenfalls entdecken. Stellen wir uns deshalb als Nächstes die Frage, weshalb sie langsam von der Bildoberfläche verschwinden?

Der Verlust einer architektonischen Tradition

Dass wir heute immer weniger Machiya zu Gesicht bekommen, hat viele Gründe. Zum einen sind sie einfach nicht mehr so populär unter den japanischen Einwohner:innen. Ihre veraltete Bauweise macht sie anfällig gegen Hitze im Sommer und Kälte im Winter. Die Decken sind niedrig und die Räume eher klein. Daher ist es verständlich, dass wenige Leute Interesse daran haben, sie zu renovieren, nur um dann auf beengtem Platz zu leben.

Hinzu kommt die Bedrohung durch Naturkatastrophen. Die alten Stadthäuser sind vergleichsweise anfällig gegen Erdbeben, Taifune und Feuer. Diese Restaurierungen würden zu den bestehenden Instandhaltungskosten hinzukommen. Bereits in Zuge des Baubooms der 1960er wurden deshalb viele von ihnen zerstört, um Raum für neuere Strukturen zu schaffen. Allein zwischen 1996 und 2003 verschwanden rund 13 % dieser Häuser aus den Straßen Kyotos.

Eine kleine Gasse bei Nacht voller Menschen, kleinen hölzernen Gebäuden und Papierlaternen

Erkunde in Kyoto unbedingt die kleinen Seitenstraßen

Der einzige Lichtblick: Es zeigen sich immer mehr Initiativen, die sich dem Erhalt dieses kulturellen Erbguts gewidmet haben. Darunter finden sich sowohl Privatpersonen als auch Programme von lokalen Gemeinden und der Regierung. Diese unterstützen Eigentümer:innen bei der Restaurierung und fördern das Bewusstsein für diese besondere Art von Gebäude.

Und auch du kannst deinen Teil beitragen, indem du bei deiner nächsten Japanreise darin übernachtest. Manche der Stadthäuser sind auch als Museen geöffnet worden und du kannst sie auf diese Weise besichtigen.

Gute Gründe für eine Übernachtung

Ich will ehrlich sein: In einem Ryokan zu schlafen, kann je nach Lage und Service bereits teuer werden. Ähnliches gilt leider auch für die Machiya. Wenn du das nötige Kleingeld übrig hast, würde ich es dir trotzdem ans Herz legen. Denn

  • es ist eine kulturelle Erfahrung, die du dein restliches Leben nicht vergessen wirst. Ein Aufenthalt in einem Stadthaus bietet dir die perfekte Möglichkeit, tief in die japanische Kultur und Geschichte abzutauchen.
  • es ist ein authentisches Erlebnis, dass den Alltag und typische Gewohnheiten der Einwohner:innen widerspiegelt
  • sie bieten Komfort und Gemütlichkeit, die du auf diese Weise wahrscheinlich in keinem Hotel finden wirst.
  • sie liegen meist sehr zentral und sind idealer Ausgangspunkt, um die Stadt zu erkunden. Da du so oftmals auf öffentliche Verkehrsmittel verzichten kannst, sparst du dir Zeit und Geld.
  • sie sind einzigartig. Jedes dieser Häuser erzählt seine eigene Geschichte und glänzt durch seine Persönlichkeit.

Der wichtigste Punkt ist und bleibt aber, dass du mit deinem Aufenthalt ein kulturelles Projekt unterstützt, dass zum Erhalt japanischer Architektur beiträgt. Probier es doch mal aus und berichte mir von deinen Erfahrungen in den Kommentaren!

Ein traditionelles japanisches Holzhaus zwischen hohen Betonbauten

Foto: © DLKR, Lizenz: Creative Commons CC0 1.0, Quelle: Unsplash.com